Die menschliche Mobilität im Wandel

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Das Thema Mobilität wird uns die nächsten Jahre sehr beschäftigen. Alexander Rammert ist aktuell Mobilitätsforscher und Dozent am Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung an der TU Berlin. Als studierter Verkehrsplaner beschäftigt er sich in seinen Forschungen mit der Frage, wie Systeme und Gesellschaften hinsichtlich einer nachhaltigen Mobilität umgestaltet werden können. Hierfür hat Rammert einerseits im Rahmen seiner Dissertation im letzten Herbst einen wissenschaftlichen Mobilitätsindex entwickelt, der es ermöglicht, die Mobilität der Menschen zu bewerten und politische Handlungsmaximen abzuleiten. Auf dem SIGNal Design Flottentag spricht er über die menschliche Mobilität im Wandel:

Verkehr in der Moderne

In unserer modernen Gesellschaft ist Verkehr die Grundlage für wirtschaftliche Austauschprozesse und soziale Interaktionen. Die Lieferung von Amazon, der Schulbesuch der Kinder oder das Treffen mit der Familie, für alles benötigen wir heutzutage Verkehr. Da die meisten unserer Bedürfnisse nicht vor Ort erfüllt werden können, brauchen wir Möglichkeiten um von A nach B zu kommen. Gleichzeitig führt dieser für unser Leben so zentrale Verkehr seit Jahren dazu, dass Klima und Umwelt zunehmend stärker belastet werden und zusätzlich Natur- und Stadträume von Verkehrsmagistralen zerschnitten werden. Obwohl wir seit Jahrzehnten wissen, welche negativen Effekte unser aktuelles Verkehrsverhalten auf die Welt hat, haben wir es als Gesellschaft nicht geschafft, den Trend umzukehren.

Verkehrswende oder Wende der Mobilität?

Im Gegenteil: Verkehrsleistung und Emissionsbelastung nehmen weiter zu. Mittlerweile sind sich Politik und Gesellschaft einig, dass es mit dem Verkehr so jedenfalls nicht weitergehen kann. Im geläufigen Begriff „Verkehrswende“ manifestiert sich dieser Paradigmenwandel, der eine grundlegende Neuausrichtung unseres Verkehrssystems fordert. Insbesondere die Dominanz des klassischen Automobils, sowohl in Wirtschaftsverkehr, als auch im Berufs- und Freizeitverkehr, rückt zunehmend ins Visier transformativer Kräfte. Antworten werden meistens im Bereich der Technologie mit neuen Antrieben, Automatisierungen oder Digitalisierungen gesucht. Jedoch wird eine reine technologische Antriebswende nicht die sozialen und umweltbezogenen Effekte unseres Verkehrssystems reduzieren, das zeigen vielzählige Studien und Analysen. Wir brauchen eine neue Perspektive, die insbesondere die Ursachen des Verkehrs in den Blick nimmt: die Mobilität.
Mit der Mobilität beschreiben wir in Planung und Wissenschaft unseren persönlichen Möglichkeitsraum als Menschen. Dieser individuelle Möglichkeitsraum beeinflusst unsere Entscheidungen, wie wir von A nach B kommen. Fahren wir zum Pizzaessen mit dem Auto zur nächsten Pizzeria, bestellen wir uns eine nach Hause oder entscheiden wir uns doch für die Tiefkühlpizza aus dem Gefrierschrank? Je nachdem, wie diese Entscheidung ausfällt, entstehen unterschiedliche oder gar keine Verkehre. Unsere Mobilität bestimmt, wann wir wo hinfahren und welche Verkehrsmittel wir dafür in Betracht ziehen.

Was heißt eigentlich Mobilität für den Menschen?

Die Mobilität ist also die zentrale Größe, die darüber entscheidet, wann und wo Verkehr entsteht und damit auch, in welcher Ausprägung die positiven und negativen Verkehrseffekte stattfinden. Ist es unser Anliegen, das Verkehrssystem tatsächlich nachhaltig zu transformieren, müssen wir die eigentliche Ursache, die Mobilität, in den Blick nehmen.

Im Gegensatz zum Verkehr ist die Mobilität weitaus schwieriger zu verstehen und zu beeinflussen. An unserer eigenen Mobilität können wir gut nachvollziehen, wie sowohl unsere Lebensumgebung und verfügbaren Ressourcen als auch die Vielzahl an gemachten Erfahrungen, Normen und Gewohnheiten unser Mobilitätsverhalten beeinflusst. Auch sind im Unterschied zu den Verkehrsstrukturen nicht ausschließlich staatliche Planungsakteure in der Verantwortung. Die Mobilität wird von soziokulturellen Faktoren ebenso geprägt wie von privatwirtschaftlichen Stakeholdern. Deshalb sprechen wir in der Wissenschaft auch vom Mobilitätmanagement, welches – im Gegensatz zur Verkehrsplanung – viele unterschiedliche Akteure und ihren Einfluss auf die Mobilität mit in den Gestaltungsprozess einbezieht.

Die Verantwortung für die „Verkehrswende“ liegt also nicht mehr alleinig beim Staat, sondern auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen ihre Rolle für die Mobilität reflektieren. Gerade im Wirtschaftsbereich stehen die Entscheidungsträger hier vor einem schwierigen Dilemma zwischen ökonomischen Gewinnstreben und gesellschaftlicher Verantwortung. Zwar beteuern einige Akteure aus dem Feld, dass beide Zielkriterien sich nicht widersprechen müssen, und wirtschaftlicher Erfolg und sozialökologische Nachhaltigkeit kombiniert werden können. Unsere Forschungen der letzten Jahre scheinen diese Aussagen aber nicht zu bestätigen:
Eine stärkere Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte führt in der Regel zu niedrigeren Gewinnmargen. Dementsprechend bescheiden ist auch der Beitrag privater Unternehmen in Deutschland zu einem nachhaltigen Verkehrssystem. Wie auch immer zukünftige Beiträge von Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Organisationen zur Verkehrswende aussehen, sie müssen die Mobilität der Menschen in den Blick nehmen und dürfen sich nicht lediglich auf verkehrliche Aspekte beschränken.

Handlungsansätze für den Mobilitätswandel

Die Handlungsansätze gehen dabei weit über klassische Maßnahmen wie Elektroladestationen oder Dienstfahrräder hinaus. Beispielsweise können Unternehmen spezifisch auf die Mobilitätsbedürfnisse ihrer Mitarbeitenden reagieren, indem eine integrierte Kinderbetreuung am Arbeitsplatz unnötige Verkehrswege spart oder Dienstreisen vermehrt durch digitale Formate substituiert werden. Zentral ist immer den Verkehr nur als Mittel zum Zweck anzusehen und die eigentlichen Bedürfnisse dahinter, also wieso muss ein Mensch überhaupt von A nach B, zu verstehen. Damit eröffnen sich für Politik und Planung, aber auch für Wirtschaft und Zivilgesellschaft ganz neue Optionen, den Verkehr nachhaltiger zu gestalten ohne die Mobilität einschränken zu müssen. So kann ein mobiler Supermarkt, der auf dem Land von Dorf zu Dorf fährt, den Möglichkeitsraum der Menschen sogar verbessern, da sie nun nicht mehr darauf angewiesen sind mit dem eigenen Auto kilometerweit zum nächsten Einkaufszentrum zu fahren. Gleichzeitig reduziert er viele umweltschädliche Fahrten indem er das Ziel zu den Menschen bringt, sprichwörtlich den Berg zum Propheten.
Die Mobilität bietet viele dieser neuen Lösungsansätze, indem wir die Perspektive weg vom Verkehr auf die Möglichkeiten der Menschen verschieben. Die Mobilität hilft uns als Konzept das Verkehrssystem ganzheitlicher zu verstehen und positive sowie negative Effekte isoliert zu gestalten. Hierbei unterstützen wir Mobilitätsforscher die Akteure in Planung, Wirtschaft und Gesellschaft dabei, ein besseres Verständnis für Mobilität zu gewinnen und eigene Problemlösungskompetenzen zu entwickeln.

Am Ende tragen wir alle die Verantwortung dafür, dass unser Gesellschaftssystem auch zukünftigen Generation noch die Freiheiten bietet, die wir aktuell genießen. Ein adäquates Mobilitätsmanagement kann hierzu einen Beitrag leisten.

Sie haben Fragen zum Thema “Mobilität” oder zum FLEETMAG? Dann melden Sie sich gerne bei uns!

Ihr Ansprechpartner:

Sebastian Kreuzer
Tel: 0791/974747-20

E-Mail: sebastian.kreuzer@signal-design.de

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